Zu Recht unterbliebene Anpassungen im Rahmen des § 16 Abs. 1 BetrAVG (Teil 3) 25.05.2023

Ist der Arbeitgeber zur Anpassungsprüfung verpflichtet, besteht die Möglichkeit, die Rentenanpassung zu Recht auszusetzen (bei Nachweis wirtschaftlich schlechter Lage des Arbeitgebers). Eine Nachholung der Leistungserhöhung kann insoweit bei späteren Anpassungsstichtagen unterbleiben.

Eine zu Recht unterlassene Rentenanpassung (bzw. ein nur teilweiser Ausgleich des Kaufkraftverlustes seit Rentenbeginn) kann rechtlich zulässig sein, wenn die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers keine (volle) Anpassung zulässt. Dies stellt eine Ausnahme zum Gebot der nachholenden Anpassung dar. Der Arbeitgeber ist dann nicht verpflichtet, den Kaufkraftverlust früherer Anpassungsstichtage später nachzuholen. Dies gilt nur für Anpassungen, die nach dem 01.01.1999 zu Recht unterblieben sind.

Maßgeblich ist grundsätzlich die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers, der die Versorgungszusage erteilt hat. Gegebenenfalls sind Konzernverflechtungen bei der Ermittlung der wirtschaftlichen Lage mit zu berücksichtigen. Auch Rentner- oder Abwicklungsgesellschaften ohne operatives Geschäft sind zur Anpassungsprüfung verpflichtet. Die Prüfung und die Ermittlung der wirtschaftlichen Lage erfolgen grundsätzlich nach den gleichen Kriterien wie für werbende Gesellschaften. Entsteht die Rentnergesellschaft durch Ausgliederung, besteht für das ausgliedernde Unternehmen die Nebenpflicht, die Rentnergesellschaft so auszustatten, dass neben der Zahlung der laufenden Betriebsrenten die gesetzlich vorgesehenen Anpassungen erfolgen können.

Die Nichtanpassung kann gerechtfertigt sein, wenn das Unternehmen dadurch übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet sein würde. Nach der BAG-Rechtsprechung liegt eine übermäßige Belastung vor, wenn es mit einiger Wahrscheinlichkeit unmöglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus dem Wertzuwachs des Unternehmens und dessen Erträgen aufzubringen. Zu befürchtende Eingriffe in die Unternehmenssubstanz stehen der Rentenerhöhung entgegen. Wertzuwächse sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie zu bilanzieren sind und ohne Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit und der Arbeitsplätze verwendet werden können. Die Erhaltung des Betriebs bzw. der Arbeitsplätze hat Vorrang vor der Anpassung. Ein Betriebsrentner hat Rücksicht zu nehmen, denn der ehemalige Arbeitgeber und die aktiven Arbeitnehmer müssen die notwendigen Erträge erwirtschaften, um seine bAV-Leistungen erbringen zu können, vgl. BAG-Urteil vom 10.02.2015, 3 AZR 37/14.

Das im Unternehmen eingesetzte Eigenkapital muss sich mindestens angemessen verzinsen. Der Zinssatz entspricht der Umlaufsrendite öffentlicher Anleihen zuzüglich eines branchenunabhängigen Risikozuschlags von 2 %-Punkten (gilt nur für Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht). Festzustellen ist die tatsächliche Eigenkapitalverzinsung, nicht eine fiktive Verzinsung, die bei anderen Unternehmensentscheidungen möglicherweise hätte erzielt werden können. Ein unzureichendes Eigenkapital beeinflusst die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und Verluste zu verkraften. Dem Arbeitgeber ist zuzubilligen, dass er sich erst wieder eine ausreichende Eigenkapitalausstattung verschafft, also verlorene Vermögenssubstanz zunächst wieder aufbaut und solange keine Rentenanpassung vornimmt.

Die wirtschaftliche Lage als zukunftsbezogene Größe umschreibt die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers und setzt eine Prognose der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung voraus. Die Darlegungs- und Beweislast liegt beim Arbeitgeber, dem ein gewisser Beurteilungsspielraum zusteht. Besondere Entwicklungen, die nicht fortwirken und die sich voraussichtlich nicht wiederholen, sollen nicht berücksichtigt werden. Eingetretene Entwicklungen nach dem Anpassungsstichtag können die Prognose bestätigen oder entkräften. Fällt die wirtschaftliche Entwicklung günstiger aus und tritt schneller Besserung ein, umso genauer muss der Arbeitgeber vortragen, dass seine frühere negative Einschätzung trotzdem nicht zu beanstanden ist. Spätere, unerwartete Entwicklungen werden erst zum nächsten Anpassungsstichtag berücksichtigt.

Zum Nachweis einer schlechten wirtschaftlichen Lage sind die erzielten Betriebsergebnisse und das vorhandene Eigenkapital gemäß den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen maßgeblich. Abschlüsse nach internationalen Rechnungslegungsstandards und Konzernabschlüsse werden von der BAG-Rechtsprechung nicht anerkannt. Bei den Ergebnissen sind betriebswirtschaftliche Korrekturen vorzunehmen, z. B. Herausnahme von Scheingewinnen sowie nicht wiederholbarer außerordentlicher Aufwendungen und Erträge.

Der Betriebsrentner hingegen kann sich darauf beschränken, zu bestreiten, dass der Arbeitgeber nicht in der Lage war, den Teuerungsausgleich zu finanzieren.

Der Sonderfall der sogenannten „unwiderlegbaren Fiktion der zu Recht unterbliebenen Anpassung“ iSv § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG kann eintreten, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrentner schriftlich seine wirtschaftliche Lage darlegt und die Umstände detailliert aufzeigt, warum das Unternehmen zum Anpassungsstichtag voraussichtlich nicht fähig ist, die Leistungen zu erhöhen (vgl. BAG-Urteil vom 11.10.2011 3 AZR 732/09). Der Versorgungsempfänger muss mittels dieses Unterrichtungsschreiben in die Lage versetzt werden, die Entscheidung des Arbeitgebers auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Hierbei ist unabhängig vom Zeitpunkt der Anpassungsentscheidung der Anpassungsstichtag maßgeblich. Das Unterrichtungsschreiben hat insbesondere auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hinzuweisen. Widerspricht der Betriebsrentner nicht innerhalb von drei Monaten nach Zugang des Unterrichtungsschreibens, gilt die Anpassung als zu Recht unterblieben. Dann darf der zu diesem Stichtag nicht ausgeglichene Kaufkraftverlust bei künftigen Anpassungsstichtagen herausgerechnet werden.

Seitens der Rechtsprechung gibt es detaillierte Beschreibungen, welche Darlegungspflichten der Arbeitgeber hat, und welche Umstände vorliegen müssen, will er die Nichtanpassung mit schlechter wirtschaftlicher Lage begründen. Die getroffene Entscheidung zum jeweiligen Anpassungsstichtag sollte vom Arbeitgeber hinreichend – unter Angabe wirtschaftlicher Kennzahlen – dokumentiert werden, um für einen späteren gerichtlichen Überprüfungstermin gut vorbereitet zu sein. Alleine der Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten reicht nicht aus, dass die Rentenanpassung zum Anpassungsstichtag zu Recht unterblieben ist.

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