Anforderungen an Klauseln zur Beschränkung der Hinterbliebenenleistungen (10.07.2024)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in zwei Urteilen vom 02.12.2021 (3 AZR 212/21 sowie 3 AZR 254/21) die Anforderungen an Klauseln zur Beschränkung von Hinterbliebenenleistungen präzisiert. 

Im Verfahren 3 AZR 212/21 verweigerte die beklagte Arbeitgeberin eine Hinterbliebenenrente an die neue Ehefrau, die der 2018 verstorbene Versorgungsanwärter erst 2010 nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis (1999) geheiratet hatte. Grundlage der Zusage war eine Betriebsvereinbarung über eine Unterstützungskasse.Der Leistungsplan der Unterstützungskasse sah explizit zwei Gründe für einen Leistungsausschluss vor: die Ehe ist zum Zeitpunkt des Ablebens des Anwärters geschieden oder die Ehe wurde erst nach Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen (sogenannte Spätehenklausel).

Die Arbeitgeberin argumentierte, dass die Anwartschaft auf Witwenrente nur zugunsten der vorherigen Ehefrau (während des bestehenden Arbeitsverhältnisses) zugesagt war. Diese Anwartschaft sei aufgrund der Scheidung erloschen und nicht aufgrund der späteren Heirat mit der Klägerin wieder aufgelebt.  

Die Klage war erfolgreich; die Klägerin hat Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung. Der Leistungsplan sieht im vorliegenden Fall keinen Leistungsausschluss bezüglich Hinterbliebenenversorgung vor. Weder war die Ehe zum Zeitpunkt des Ablebens geschieden, noch war die Ehe erst nach Altersrentenbeginn geschlossen worden.

Das BAG führte aus, dass Betriebsvereinbarungen aufgrund ihres normativen Charakters nach den Grundlagen der Auslegung von Gesetzen zu messen sind. Zu ermitteln ist der Wortlaut der Bestimmung und der vermittelte Wortsinn. Danach müssen Bestimmungen über bAV-Leistungen hinreichend klar und verständlich sein, insbesondere bei Ausschluss von Versorgungsleistungen. Es müsse für den Arbeitnehmer klar erkennbar sein, in welcher Höhe er bzw. seine Hinterbliebenen Leistungen beanspruchen können, um etwaige Versorgungslücken schließen zu können (Gebot der Bestimmtheit und der Normenklarheit).  

Der Leistungsplan nennt nur zwei Ausschlusstatbestände. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass keine weiteren Leistungsausschlüsse gewollt waren. Der zu Grunde liegenden Versorgungsregelung ist nicht zu entnehmen, dass Hinterbliebenenleistung nur ein Ehegatte erhalten soll, der im Zeitraum des bestehenden Arbeitsverhältnisses bereits mit dem Verstorbenen verheiratet war. Eine Wiederheirat nach dem vorzeitigen Ausscheiden bzw. vor Eintritt des Versorgungsfalles sei folglich unschädlich.

Im zweiten Verfahren vom 02.12.2021 (BAG-Urteil 3 AZR 254/21) war Streitpunkt eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der die Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen wird, wenn die Ehe bis zum Tod des Versorgungsberechtigten nicht mindestens zwölf Monate bestanden hat („Mindestehedauerklausel“). Die geforderte Mindestehedauer sollte dann enfallen, wenn der hinterbliebene Ehegatte darlegt bzw. beweist, dass der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer aufgrund eines erst nach der Eheschließung erlittenen Unfalls oder einer erst später eingetretenen Krankheit verstarb.

 

Die Klägerin meinte, dass ein solcher Ausschluss eine nicht zulässige Altersdiskriminierung darstellt, da er an kein betriebsrentenrechtliches Strukturprinzip anknüpft. Zudem sei die Ausschlussklausel aufgrund unangemessener Benachteiligung unwirksam. Denn anders als in der gesetzlichen Rentenversicherung, bestünde abseits der geregelten Ausnahmen nicht die Möglichkeit, die Vermutung einer sogenannten Versorgungsehe zu widerlegen (vgl. § 46 Abs. 2a SGB IV). Die Ehe sei eben nicht aufgrund einer lebensbedrohlichen Erkrankung, sondern im Moment der Besserung geschlossen worden.  

Die Klage wurde abgewiesen. Es besteht gemäß der zu Grunde liegenden Versorgungsregelung kein Anspruch auf Witwenrente wegen zu kurzer Ehedauer.  

Das BAG bestätigte u.a. seine Rechtsauffassung, dass ein Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, sich den Regeln der gesetzlichen Rentenversicherung anzuschließen. Bei der Hinterbliebenenrente sei die hier geforderte Jahresfrist und das Anknüpfen an das Datum der Eheschließung auch noch angemessen. Die in der Versorgungsregelung vorgesehene Widerlegungsmöglichkeit für die hinterbliebenen Ehefrau (erst nach Eheschließung erlittener Unfall oder eingetretene Krankheit als Todesursache des verstorbenen Arbeitnehmers) bringt die Interessen des Arbeitgebers und die Interessen des Hinterbliebenen ausreichend zum Ausgleich. Somit werden auch jene Fälle eines erhöhten Todesfallrisikos erfasst, die sich erst im Jahr nach Eheschließung zeigen, und in denen eine Hinterbliebenenversorgung geboten ist.  

Der Anspruch auf betriebliche Hinterbliebenenversorgung kann beschränkt werden. Dabei können die Anspruchsvoraussetzungen enger gesetzt werden als in der gesetzlichen Rentenversicherung. Gestaltungsspielraum besteht bei berechtigtem Interesse des Arbeitgebers zur Risikobeschränkung (hier: Todesfallrisiko). Ausgenommen vom Schutz der betrieblichen Versorgungsregelung können solche Risiken sein, die sich bereits konkretisiert haben (Ausschluss Versorgungsehe). Es ist möglich, eine angemessene Frist vorzusehen, die einerseits das Risiko des Arbeitgebers begrenzt, und andererseits eine unangemessene Rechtsunsicherheit des Versorgungsberechtigten verhindert, dessen Interesse darin liegt, seine nahen Hinterbliebenen bei seinem Tod finanziell abzusichern.  

 

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