Ersetzung einer lebenslangen Rente durch eine Kapitalzahlung, BAG 3 AZR 220/22 bzw. BAG 3 AZR 501/21 (21.02.2024)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich in zwei parallelen Urteilen vom 17.01.2023 (BAG 3 AZR 220/22 und BAG 3 AZR 501/21), mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen die (bedingungsgemäße) Ersetzung einer lebenslangen Rente aus einer Unterstützungskasse bzw. Pensionszusage durch eine Einmalkapitalzahlung zulässig ist.

I)              BAG 3 AZR 220/22

Ein Arbeitgeber hatte seinen Arbeitnehmern über eine pauschaldotierte Unterstützungskasse (UK) eine betriebliche Altersversorgung (bAV) zugesagt. Bei Rentenbeginn zahlte er statt der zugesagten lebenslangen Altersrente - entsprechend der im UK-Leistungsplan vorgesehenen Möglichkeit - ein Einmalkapital in Höhe von 10 Jahresrenten (d.h. weniger als den versicherungsmathematischen Barwert der Rente). Die Versorgungsberechtigte lehnte dies ab, überwies das Geld zurück und verlangte die Rente. Der Arbeitgeber klagte auf Feststellung, dass mit der Kapitalzahlung seine Verpflichtung aus der Versorgungszusage erfüllt sei. Mit diesem Ansinnen unterlag er in allen Instanzen, auch beim BAG, welches wie folgt begründete:

Die der UK im Leistungsplan eingeräumte Möglichkeit, die lebenslange Rente durch die Einmalkapitalzahlung i.H.v. 10 Jahresrenten zu ersetzen, stehe im Zweifel auch dem Arbeitgeber zu. Sie enthalte keine Wahlschuld i.S.v.  § 262 BGB, welche vorliege, wenn verschiedene Leistungen, die als spezifizierte Einzelleistungen gedacht sind, in der Weise geschuldet werden, dass nach späterer Wahl des Schuldners oder Gläubigers nur eine (die gewählte) zu bewirken ist. Vielmehr sei es eine sog. Ersetzungsbefugnis, welche gesetzlich nicht geregelt, aber allgemein anerkannt ist. Bei einer solchen hat der Schuldner das Recht, die geschuldete Leistung durch eine andere zu ersetzen, also das Schuldverhältnis nachträglich inhaltlich zu ändern.

Die Klausel im Leistungsplan sei u.a. an § 308 Nr. 4 BGB zu messen. Danach ist in AGB die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, unwirksam, wenn die Änderung/Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil unzumutbar ist.

Eine Klausel, die wie hier eine Ersetzung der Rente durch eine nicht mindestens (bar-)wertgleiche Kapitalleistung vorsehe, sei für den Versorgungsempfänger unzumutbar, denn damit würde ihm bereits erdientes Entgelt zumindest teilweise wieder entzogen, obwohl er seine Gegenleistung während des bestehenden Arbeitsverhältnisses bereits vollständig erbracht hat. BAV habe Versorgungs-, aber eben auch Entgeltcharakter.       

Diesem Interesse zumindest gleichwertige Interessen des Klägers seien hier nicht erkennbar, weswegen weiterhin die Rente geschuldet sei.

  

II)            BAG 3 AZR 501/21

 Die Entscheidung betraf eine bAV durch eine arbeitgeberfinanzierte Pensionszusage, welche in der relevanten Fassung eine „wertgleiche Abfindungsmöglichkeit“ in Höhe des steuerbilanziellen Barwerts gemäß § 6a EStG vorsah. Diese Klausel legte das BAG als Ersetzungsbefugnis aus.

Der Vorbehalt verstoße - wenn rechtzeitig vor 
Beginn der Leistung ausgeübt - nicht gegen § 3 
BetrAVG, da dann mit der Kapitalleistung der Anspruch aus der Versorgungszusage erfüllt werde.

Ein Verstoß gegen betriebrentenrechtliche Wertungen liege ebenfalls nicht vor, da das BetrAVG auch Kapitalleistungen als bAV anerkenne.

 

 

Die getroffenen Abreden hielten auch einer AGB-Kontrolle (§ 308 Nr. 4 BGB) stand: Weil die Entwicklung der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Arbeitgeber eine Versorgungszusage erteilt, bis zum Eintritt des Versorgungsfalls nicht absehbar sei, habe dieser ein legitimes Interesse daran, sich vorzubehalten, unter Wahrung billigen Ermessens i.S.v. § 315 Abs. 1 BGB die zugesagte Rentenzahlung durch eine wertgleiche Kapitalzahlung zu ersetzen.

Dem Interesse des Arbeitnehmers, dass ihm nicht kurz vor Versorgungsbeginn (Teile der) bAV als bereits erdientes Entgelt im Nachhinein wieder entzogen wird, obwohl er seine Gegenleistung während des Arbeitsverhältnisses bereits voll erbracht hat, werde durch die hier geforderte Wertgleichheit Rechnung getragen; bei deren Ausübung sei jedoch billiges Ermessen zu beachten.

Ob die Ersetzungsentscheidung die Grenzen billigen Ermessens wahrte (was im Zweifel der Ersetzungsberechtigte beweisen muss), konnte der Senat mangels entsprechender Feststellungen der Vorinstanzen nicht beurteilen. Er gab jedoch dazu einige hilfreiche Hinweise:

Gegen die Billigkeit spreche neben der bereits erbrachten Gegenleistung (bAV-Entgeltcharakter), dass der Arbeitgeber mit einer Rentenzusage das Langlebigkeitsrisiko inkl. einer möglichen Anpassungspflicht (§ 16 BetrAVG) übernommen habe, und sich dessen nicht zulasten des Versorgungsberechtigten einfach wieder entledigen könne.

Zudem hätte eine Kapitalzahlung bei letzterem z.B. auch Auswirkungen auf Steuerprogression und Pfändungsschutz.

Für ein legitimes Interesse des Versorgungsschuldners an der Umstellung auf Kapitalleistung könne beispielsweise ein (bei Zusageerteilung nicht vorhersehbar) deutlich gestiegener Verwaltungsaufwand sprechen, oder auch der Umstand, dass er seinen Betrieb einstellen oder übergeben und deshalb die Zusagen früher erfüllen möchte.

Ebenso zugunsten des Versorgungsschuldners zu berücksichtigen seien Leistungsverbesserungen im Rahmen der Ersetzung durch Erhöhung der Kapitalleistung gegenüber dem versicherungsmathematischen Barwert der Rente.

Auch wirtschaftliche Probleme könnten beachtlich sein, wenn durch die Ersetzung von Rente durch Kapital Verbesserungen bei Bilanzierung bzw. Finanzierung der Versorgungsleistung einträten.

Ebenso sei eine spätere, relevante Veränderung rechtlicher Rahmenbedingungen rgm. zugunsten des Versorgungsschuldners zu berücksichtigen.

Das BAG hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück an das Berufungsgericht.

FAZIT:

  • Das BAG hat in beiden Fällen die Vorbehalte als Ersetzungsbefugnis eingestuft; damit bestand die Möglichkeit des Versorgungsschuldners, das Schuldverhältnis nachträglich einseitig zu ändern.
  • Einseitige Ersetzungsklauseln des Versorgungsschuldners (Kapital statt lebenslanger Rente) in AGB sind laut BAG nicht per se unzumutbar i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB, wenn das Kapital mindestens wertgleich ist; bei deren Ausübung ist jedoch billiges Ermessen zu wahren.
  • Für die erforderliche Interessenabwägung gibt das BAG wichtige Hinweise, welche Argumente aus seiner Sicht für die jeweilige Seite tragfähig sein können.

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