Keine Steuervergünstigung nach § 34 EStG bei über drei Jahre verteilter Kapitalzahlung aus der Pensionszusage (10.01.2024)

Der 6. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hatte sich im Urteil vom 15.12.2022, VI R 19/21, mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen die Steuerermäßigungsvorschrift des § 34 Abs. 1 EStG auf eine über drei Jahre verteilte Kapitalauszahlung aus einer Pensionszusage anwendbar ist. Die sog. „Fünftelregelung“ bewirkt eine Progressionsmilderung des individuellen Einkommenssteuertarifs.

Der Klägerin stand gemäß Pensionszusage ein Alterskapital von 543.000 € zu. Nachdem die Klägerin kurz nach Erreichen des Pensionsalters Ende 2016 ausschied, zahlte ihr die GmbH das Kapital nicht in einer Summe, sondern leistete 2017 zwei Teilzahlungen i.H.v. 64.290,40 € bzw. 214.621,25 €; des Weiteren führte sie 2017 zu Lasten der Klägerin 183.970,00 € Lohnsteuer und 10.118,35 € Solidaritätszuschlag ans Betriebsstättenfinanzamt ab. Im Streitjahr 2017 wurden also insgesamt 473.000 € auf das Alterskapital der Klägerin entrichtet. 2018 flossen weitere 55.000 €, 2019 dann die restlichen 15.000 € an die Klägerin.

Die Klägerin beantragte, (nur) die 2017 bezogenen 473.000 € als ermäßigt zu besteuernde Versorgungsbezüge für mehrere Jahre i.S.v. § 34 EStG zu berücksichtigen. Damit scheiterte sie sowohl beim Finanzamt als auch vor dem Finanzgericht. Die zulässige Revision wies nun der Bundesfinanzhof als unbegründet zurück und  begründete diese Entscheidung wie folgt:

Zunächst handle es sich bei dem Alterskapital aus der Pensionszusage um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, die eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit (gemäß der Legaldefinition in § 34 Abs. 2 Nr. 4, 2. Halbsatz EStG) darstellten.

Weitere Voraussetzung für die Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG sei nach ständiger Rechtsprechung des BFH, dass diese für die mehrjährige Tätigkeit gezahlte Vergütung aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen in zusammengeballter Form erfolge. Davon sei nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nur dann auszugehen, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einen Veranlagungszeitraum fallen und dadurch erhöhte steuerliche Belastungen entstehen.

Der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum sei zwar kein explizites gesetzliches Tatbestandsmerkmal, jedoch sei der unbestimmte Rechtsbegriff „außerordentliche Einkünfte“ per Gesetzesauslegung dahingehend zu konkretisieren (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal). Zweck des § 34 EStG sei es, die außergewöhnlich hohe Progressionsbelastung des Steuerpflichtigen abzumildern, die durch einmalige Vergütungszahlung für eine mehrjährige Tätigkeit im Bezugsjahr entsteht. 

Zu obigem Grundsatz (Zufluss in einem Veranlagungszeitraum) formuliert die Rechtsprechung des BFH drei eng begrenzte Ausnahmen:

a)   Auszahlung des überwiegenden Teils der Leistung in einem Betrag, und lediglich Zahlung einer geringfügigen Teilleistung in einem (!) anderen Veranlagungszeitraum, wobei sich die Zahlungen im Verhältnis zueinander eindeutig als Haupt- und Nebenleistung darstellen müssen (vgl. z.B. BFH IX R 20/10 vom 26.01.2011 und BFH IX R 46/14 vom 13.10.2015, jeweils zu Entlassungsentschädigungen nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG). Als geringfügig sieht der BFH dabei maximal 10% der Gesamtleistung an (BFH IX R 28/13 vom 08.04.2014; BMF-Schreiben IV C 5 - S 2333/19/10008 :026 vom 18.03.2022);

 

 

b)  Erbringung von Teilzahlungen in Folge-Veranlagungszeiträumen (nach Zahlung der Hauptleistung) für eine Übergangszeit aus Gründen der sozialen Fürsorge (z.B. BFH XI R 22/00 vom 14.08.2001 und  XI R 43/99 vom 24.01.2002) unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (BFH XI R 11/04 vom 14.04.2005) – auch diese Entscheidungen ergingen zu Entlassungsentschädigungen gem. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG;

c)  Zahlung über zwei Veranlagungszeiträume, wenn eine Einmalzahlung vorgesehen war, aber die Zahlung wegen ihrer ungewöhnlichen Höhe und der besonderen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen verteilt wurde (BFH XI R 63/89 vom 02.09.1992) oder wenn/weil der Zahlungsempfänger wegen einer existentiellen finanziellen Notlage dringend auf eine Vorauszahlung angewiesen war (Senatsurteil BFH VI 87/55 U vom 01.02.1957).

Im Streitfall fehlte es an der für die „Außerordentlichkeit“ notwendigen Zusammenballung in einem Veranlagungszeitraum. Eine der anerkannten Ausnahmen lag nicht vor, da drei Veranlagungszeiträume betroffen waren, und die Teilleistung über 10% der Hauptleistung lag. Dass kein Fall sozialer Fürsorge vorlag, war unstreitig. 

Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 bzw. 2 EStG waren also nicht gegeben, auch wenn die Aufsplittung hier auf Liquiditätsproblemen der GmbH beruhte und der Klägerin ‚aufgenötigt‘ wurde. Denn § 34 EStG knüpft laut BFH an die Progressionsbelastung durch die Zusammenballung an - unabhängig von deren Ursache.


FAZIT:

  • Teilkapitalauszahlungen können die „Außerordentlichkeit“ und damit die Anwendbarkeit des § 34 EStG gefährden – selbst wenn die Ursache dafür beim Versorgungsschuldner lag. Dass der BFH hier (obwohl keine Entlassungsentschädigung betroffen war) die drei Ausnahmen prüfte, zeigt, dass er diese auch auf Kapitalzahlungen aus Unterstützungskassen- bzw. Pensionszusagen anwendet.
  • Ein besonderer Fall lag der Entscheidung BFH IX R 3/20 vom 23.04.2021 zur Auszahlung der Kapitalleistung(en) aus einer Pensionszusage zugrunde. Hier waren das Alterskapital aus einem arbeitgeberfinanzierten ‚Basiskonto‘ und das aus einem separaten, entgeltumwandlungsfinanzierten ‚Aufbaukonto‘ in verschiedenen Jahren ausgezahlt worden, woraufhin die Finanzverwaltung die Progressionsmilderung des § 34 EStG verweigerte. Der BFH hingegen bejahte § 34 EStG mit dem Argument, es handele sich hierbei um zwei selbständige und auch von den Vertragspartnern von vornherein getrennt behandelte Ansprüche. Gestützt wurde diese Ansicht durch unterschiedliche Unverfallbarkeitsregelungen und separat wählbare Auszahlungsformen (Rente/Einmalkapital/Mischform).

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