Entwicklung der BAG-Rechtsprechung zu Altersgrenzen in der Hinterbliebenenversorgung (Teil 2) 08.11.2023

Die Entwicklung der Rechtsprechung zu Einschränkungen bei der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung kann als Grundlage für die künftige Gestaltung möglichst wirksamer Regelungen bzw. für die Überprüfung, Beurteilung und ggf. das Ergreifen von geeigneten Maßnahmen bezogen auf bereits bestehende Klauseln dienen. Der folgende Überblick soll dabei unterstützen.

Mindestehedauerklausel

Regelungen, die vorsehen, dass die Ehe vor Erwerb des Anspruchs auf Hinterbliebenenleistung eine bestimmte Zeit bestanden haben muss, werden vom BAG nur in Grenzen gebilligt (BAG 15.10.2013 – 3 AZR 294/11, Rn. 16 ff.). Indem es auf die Regelungen in den §§ 46 Abs. 2a SGB VI und 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG verweist, gestattet das BAG allenfalls das Ausbedingen einer Mindestehedauer von einem Jahr (BAG 19.02.2019 – 3 AZR 150/18 Rn. 33 ff.). Insbesondere dann wird eine einjährige Mindestehedauer gebilligt, wenn die entsprechende Klausel Widerlegungsmöglichkeiten anbietet, wonach die Mindestehedauer für den Fall eines Todes infolge Unfalls oder einer erst nach der Ehe aufgetretenen Erkrankung nicht greift (BAG 02.12.2021 – 3 AZR 254/21 Rn. 36 ff.).

Mit seiner Entscheidung vom 19.02.2019 (3 AZR 254/21) stellte das BAG fest, dass eine in AGB enthaltene Versorgungsregelung, nach der die Hinterbliebenenversorgung entfällt, wenn im Zeitpunkt des Todes des Versorgungsberechtigten die Ehe nicht mindestens zehn Jahre bestanden hat, den unmittelbar Versorgungsberechtigten unangemessen benachteiligt. Diese Regelung sei daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam und gefährde den Zweck der Hinterbliebenenversorgung.

In einem Fall, der vom BAG am 02.12.2021 (3 AZR 254/21) entschieden wurde, war der entscheidende Streitpunkt des Verfahrens eine Regelung in einer Pensionszusage, nach der der Anspruch eines Ehegatten auf eine Hinterbliebenenrente unter anderem ausgeschlossen ist, wenn die Ehe in den letzten zwölf Monaten vor dem Tod des (ehemaligen) Mitarbeiters geschlossen wurde und dieser nicht an den Folgen eines nach der Eheschließung erlittenen Unfalls oder einer nach der Eheschließung eingetretenen Krankheit gestorben ist. Aus Sicht des BAG genügt die betreffende Mindestehedauerklausel den rechtlichen Anforderungen. So erachtet das BAG die Jahresfrist und das Anknüpfen an das Datum der Eheschließung als angemessen. Außerdem bringe die Widerlegungsmöglichkeit die Interessen des ehemaligen Arbeitnehmers und der bzw. des Hinterbliebenen ausreichend zum Ausgleich. Die von der Arbeitgeberin vorgegebene Mindestehedauer von einem Jahr sah das BAG als noch angemessen an.

Altersdifferenz- bzw. Altersabstandsklausel

Eine Regelung, nach der eine Versorgungsleistung gekürzt wird bzw. wegfällt, wenn der Ehepartner eine gewisse Altersdifferenz zum Arbeitnehmer überschreitet, wird Altersdifferenz- bzw. Altersabstandsklausel genannt. Umgesetzt wird das unter anderem, indem die Hinterbliebenenleistung ab dem Überschreiten eines Altersunterschieds zur bzw. zum jüngeren Hinterbliebenen stufenweise reduziert wird, bspw. bei einer um elf Jahre jüngeren Hinterbliebenen nur noch 90 % der vollen Hinterbliebenenleistung ausgezahlt wird, der Reduktionsprozentsatz mit zunehmendem Altersunterschied um weitere zehn Prozentpunkte pro Jahr verringert wird und bei einem Altersunterschied von 20 Jahren z.B. gar keine Hinterbliebenenversorgung mehr gewährt wird.

In seiner Entscheidung vom 16.10.2018 (3 AZR 520/17, Rn. 19 ff.) stellt das BAG fest, dass die Kürzung von Witwenpensionen um 5 % für jedes Jahr, welches die hinterbliebene Ehefrau mehr als 15 Jahre jünger als der versorgungsberechtigte Ehegatte ist, keine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 AGG bewirkt. Eine solche Regelung verstoße nicht gegen das AGG und sei somit nicht nach § 7 Abs. 1, 2 AGG unwirksam. Damit soll der Mehrbelastung aus der längeren Lebenserwartung des überlebenden Ehepartners begegnet werden. Der Arbeitgeber hätte hier ein legitimes Interesse an einer Begrenzung des mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen finanziellen Risikos. Die Kürzung der Hinterbliebenenversorgung bei unüblich großem Altersunterschied widerspreche nicht dem AGG.

Mit Urteil vom 20.02.2018 (AZR 43/17, Rn. 32) hat das BAG entschieden, dass eine Altersdifferenzklausel, die eine Hinterbliebenenleistung nur für den Fall vorsieht, dass der Ehegatte nicht mehr als 15 Jahre jünger ist, zulässig ist. Zwar stelle die Klausel eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters dar, aber diese sei gerechtfertigt. Mit dieser erforderlichen und angemessenen Regelung verfolge der Arbeitgeber ein legitimes Ziel, eine verlässliche Kalkulationsbasis zu schaffen, was schließlich der Verbreitung der bAV diene. Da die Lebensgemeinschaft mit einem solchen Altersunterschied von vornherein darauf angelegt sei, dass die bzw. der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten und seinem Einkommen verbringe, liege eine übermäßige Beeinträchtigung der berechtigten Interessen des Versorgungsberechtigten nicht vor. Dass der Arbeitgeber dieses strukturell im Lebenszuschnitt des Arbeitnehmers angelegte Risiko nicht übernommen habe, sei daher gerechtfertigt. Das Unternehmen dürfe im Interesse seiner Kostenbegrenzung diese Altersdifferenzklausel ausbedingen, da bei solch großen Altersunterschieden die Wahrscheinlichkeit der längeren Gewährung einer Hinterbliebenenleistung außerordentlich zunehme, denn der „übliche Altersabstand“ zwischen Ehepaaren betrage weniger als sieben Jahre (BAG 20.02.2018 – 3 AZR 43/17, Rn. 33).

Das BVerfG sieht in Altersdifferenzklausel von 25 Jahren keinen Grundrechtsverstoß (BVerfG 1 BvR 92/79 v. 11.09.1979).

Mindestaltersklausel für Hinterbliebene

Die Mindestaltersklausel für Hinterbliebene gibt vor, dass eine Hinterbliebenenleistung nur dann gezahlt wird, wenn die bzw. der Hinterbliebene zum Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers ein bestimmtes Alter erreicht hat. Mit dieser Regelung kann der Arbeitgeber Ansprüche mit sehr langer Laufzeit verhindern. Diese Klausel ist laut BAG unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Als sachliche Gründe gelten dabei das Interesse des Arbeitgebers das entsprechende Risiko einer sehr langen Laufzeit zu begrenzen und die Leistungsgewährung vom Versorgungsbedarf abhängig zu machen. Insoweit hat das BAG ein Mindestalter von 50 Jahren für die Inanspruchnahme einer Witwenrente für nachvollziehbar gehalten (BAG 19.02.2002 – 3 AZR 99/01, unter II. 2. c) der Gründe).

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