Mit Beschluss vom 28.07.2023, 2 BvL 22/17, hat das Bundesverfassungsgericht die Vorlage des Finanzgerichts Köln zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des steuerlichen Rechnungszinses für die Ermittlung der Pensionsrückstellungen in Höhe von 6 % als unzulässig abgelehnt.
Annähernd sechs Jahre hat es gedauert und die Fachwelt wartete gespannt auf die Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit von § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG, die – jedenfalls für die Praxis – nun gar keine ist. Auch der Gesetzgeber hatte sich „zurückgelehnt“, um einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht nicht mit einer Gesetzesänderung vorzugreifen. Jetzt dürfte zumindest die Praxis enttäuscht sein, denn eine inhaltliche Prüfung und verfassungsrechtliche Bewertung der Vorschrift lieferten die Verfassungsrichter leider nicht. Dazu hatte das vorlegende Finanzgericht seine verfassungsrechtlichen Bedenken nicht hinreichend begründen können, wie es in dem Beschluss heißt.
Die bilanziellen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten aus einer vom Arbeitgeber unmittelbar zugesagten betrieblichen Altersversorgung (Pensionsrückstellungen) werden in der deutschen Handels- und Steuerbilanz mit einem unterschiedlichen Rechnungszins bewertet. Für die Steuerbilanz schreibt § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG einen Zinssatz von 6 % vor, während in der Handelsbilanz gemäß § 253 Abs. 2 HGB ein durchschnittlicher Marktzins zur Anwendung kommt, der von der Deutschen Bundesbank ermittelt und veröffentlicht wird. Dieser Zins liegt aktuell (Juli 2023) bei 1,81 %.
Die Höhe der Pensionsrückstellung wird maßgeblich vom Zinssatz bestimmt. Die stärkere Abzinsung des Verpflichtungsbetrags infolge eines höheren Zinses führt zu einem geringeren bilanziellen Ausweis. Der Wert der Verpflichtung aus einer Pensionszusage wird somit in der Steuerbilanz deutlich geringer ausgewiesen als in der Handelsbilanz, woraus ein geringerer Steuerstundungseffekt resultiert und das zu versteuernde Einkommen der Gesellschaft über dem handelsrechtlich ermittelten Jahresüberschuss liegen kann.
Das FG Köln sah hierin einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Form einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung. Im Vergleich mit Unternehmen ohne Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, die ihren tatsächlich wirtschaftlich realisierten anderweitigen Aufwand voll steuerlich geltend machen können, seien Unternehmen mit der eingeschränkten Berücksichtigung ihrer Pensionsrückstellungen benachteiligt.
Eine Ungleichbehandlung liege auch in der Festsetzung eines nicht marktüblichen Zinssatzes, der für alle Unternehmen unabhängig von ihrer Unternehmensrendite oder den Verschuldungskonditionen gilt, und auch nicht ohne weiteres am Kapitalmarkt erwirtschaftet werden könne.
Der Abzinsungssatz von 6 % ist nach Ansicht der Finanzrichter nicht mehr realitätsgerecht. Der große Abstand zum Marktzins infolge der strukturellen Niedrigzinsphase zwinge den Gesetzgeber zu einer neuen Entscheidung über den Zinssatz.
Die Ungleichbehandlung werde auch nicht dadurch geheilt, dass in der Leistungsphase einer Pensionszusage der tatsächliche Aufwand vollständig steuerlich geltend gemacht werden könne. Ob es auch einen Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG) in Gestalt einer Übermaßbesteuerung sieht, hat das vorlegende Gericht offengelassen, da dies stark einzelfallabhängig sei.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das Finanzgericht Köln in seiner Vorlage einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht ausreichend dargelegt hat. Zunächst gebe es keine ausreichende Begründung für den Vergleich zwischen Unternehmen mit und ohne Pensionsrückstellungen. Die vorgezogene Geltendmachung von Aufwand für Pensionen in der Steuerbilanz sei eine Sonderregelung des Gesetzgebers wegen der ökonomischen und sozialpolitischen Bedeutung der betrieblichen Altersversorgung. Die handelsrechtliche Bewertung enthalte keine zwingenden Vorgaben für die Steuerbilanz.
Die Verfassungsrichter heben hervor, dass es bei dieser Frage nicht um das Ob, sondern das Wann der Abzugsfähigkeit des Pensionsaufwands geht. Darüber hinaus sei es fraglich, ob eine zwingende Korrelation zwischen der bilanziellen Gewinnminderung und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Unternehmens bestehe. Welchen Bezugspunkt der Abzinsungssatz nach Meinung des vorlegenden Gerichts haben soll, konnten die Verfassungsrichter ebenfalls nicht klar genug erkennen.
Der Beschluss führt aus, dass der Abzinsungssatz von 6 % den Steuerstundungseffekt der Pensionsrückstellungen bemisst, ohne auf einen daraus entstehenden Zinsvorteil abzustellen. Der Steuervorteil aus einer Pensionsrückstellung muss keine bestimmte Höhe haben. Daher ergibt sich auch keine Anpassungspflicht nach unten für den Gesetzgeber. Warum ein Marktzins die angemessene Bezugsgröße sein soll, habe das Finanzgericht nicht hinreichend begründet.
Ergänzend ist zu lesen, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Zinssatz bei Steuererstattungen und -nachforderungen auf diesen Sachverhalt nach Ansicht der Richter nicht übertragbar ist.
Fazit aus der Entscheidung ist, dass jedenfalls mit den Argumenten des Finanzgerichts Köln in dieser Sache nicht verfassungsrechtlich zwingend begründet werden kann, dass der Umfang der vom Gesetzgeber zugelassenen vorweggenommenen Berücksichtigung von Pensionsaufwand bei der Steuerbemessung eine bestimmte Mindestgröße haben müsste. Das Bundesverfassungsgericht betont, dass es hier um das Wann der Besteuerung geht und der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers dabei groß ist.
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