Alt- oder Neuzusage? - BFH-Urteil vom 01.09.2021, VI R 21/19 (07.02.2024)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner Entscheidung vom 01.09.2021 (VI R 21/19) über die Einordnung von zwei Direktversicherungsverträgen als einheitliche Zusage oder als zwei getrennte Zusagen entschieden. Diese Unterscheidung kann Auswirkungen auf die steuerrechtliche Behandlung der Beiträge haben.

Der Fall:

Im vorliegenden Fall schloss der Arbeitgeber zum 01.01.1997 für einen Arbeitnehmer (Kläger und Revisionskläger) eine Direktversicherung gemäß § 40b EStG in der im Streitfall geltenden Fassung (alte Fassung, a.F.) ab und besteuerte die Beiträge pauschal. Nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2013 wurde 2014 ein gerichtlicher Vergleich geschlossen, der den Arbeitgeber zur Einmalzahlung in eine zweite Direktversicherung verpflichtete. Im Zuge einer Lohnsteuer-Außenprüfung verweigerte das Finanzamt (Beklagte und Revisionsbeklagte) die Anwendung der seinerzeit gültigen Vervielfältigungsregelung aus Anlass der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nach § 3 Nr. 63 S. 4 EStG a.F. (2014) und damit die steuerfreie Zahlung des Einmalbeitrags in die zweite Direktversicherung. Der Arbeitnehmer hatte auf die Steuerfreiheit der Beiträge zur ersten Direktversicherung verzichtet, um den § 40b EStG a.F. (Pauschalbesteuerung der Beiträge) zu nutzen. Daher sei die Anwendung der Vervielfältigungsregelung nicht möglich.

Vervielfältigungsregelung (aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusätzlich steuerfreier Aufwand für eine Direktversicherung/Pensionskasse/ Pensionsfondsversorgung):

altes Recht (Streitfall)

1.800 € x Anzahl der Dienstjahre (Dj.) ab 2005 abzüglich geleisteter Beiträge

neues Recht (aktuell)

4 % der BBG x Anzahl der Dj. (max. zehn Jahre) abzüglich pauschalbesteuerter Beiträge (§ 52 Abs. 4 S. 24 EStG)

Das Finanzamt entschied, dass die zweite Direktversicherung als Altzusage anzusehen sei, vor allem da in der neuen Versicherung kein zusätzliches biometrisches Risiko mitversichert wurde (was  schlicht unmöglich ist, wenn der erste Vertrag bereits alle drei biometrischen Risiken der bAV – Alter, Tod, Invalidität – abdeckt). Folglich könne die steuerliche Förderung nach § 3 Nr. 63 EStG a.F. nicht genutzt werden, sondern nur die nach § 40b EStG a.F., soweit das dort vorgegebene Pauschalierungsvolumen nicht bereits durch die erste Direktversicherung ausgeschöpft war. Infolgedessen wurde Lohnsteuer nachgefordert.

Die Entscheidung:

Der BFH folgte der Einschätzung nicht, dass die beiden Direktversicherungen eine Einheit bilden, da die Begründung der Vorinstanz nicht ausreichend sei. Das Urteil des Finanzgerichts wurde aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

 

 

 

Die Begründung:

Nach der Entscheidung des BFH ist die arbeits- bzw. betriebsrentenrechtliche Verpflichtungser­klärung des Arbeitgebers (bspw. Einzelzusage oder Betriebsvereinbarung) maßgebend. Wenn der Arbeitgeber mehrere Direktversicherungen zugunsten des Arbeitnehmers abgeschlossen hat, ist die Frage, ob diese auf verschiedenen Versorgungszusagen beruhen, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Ob ein zusätzliches biometrisches Risiko abgesichert wurde, kann lediglich als ein Indiz herangezogen werden, ist jedoch keine gesetzliche Voraussetzung für eine Neuzusage.

Die Richter des VI. Senats stellten fest, dass die zweite Direktversicherung ausschließlich auf der im gerichtlichen Vergleich protokollierten 
(Neu-)Zusage basierte. Diese wurde demnach erst 2014 und nicht bereits 1997 erteilt. Die Weiteranwendung des § 40b EStG a.F. für die Neuzusage des Arbeitgebers schied aus.

Der BFH nennt folgende Kriterien für das Vorliegen einer Neuzusage:

·Zusageerteilung nach dem 31.12.2004,

·Zusage basiert nicht auf vorherigen                    arbeitsvertraglichen Absprachen oder Wahloptionen  des Klägers im Zusammenhang mit der zuvor erteilten    Versorgungszusage,

·Kein sonstiger erkennbarer Zusammenhang zwischen  Neu- und Altzusage,

·(Neu-)Zusage führt zu einer (ggf. einmaligen, dafür  aber erheblichen) Beitragserhöhung und begründet  gänzlich neue Versorgungsansprüche.

Der aktuelle Rechtsstand:

Seit 01.01.2018 genügt für das Vorliegen einer Altzusage, dass vor diesem Datum mindestens ein Beitrag pauschal besteuert wurde (§ 52 Abs. 40 EStG). Dies muss infolge der betreffenden Altzusage erfolgt sein. Ansonsten gilt weiterhin die Abgrenzung Alt- vs. Neuzusage aus dem BMF-Schreiben vom 24.07.2013, Rn. 349 ff. (BMF-Schreiben vom 12.08.2021, Rn. 85), soweit diese nicht den Vorgaben des hier besprochenen Urteils widerspricht (vgl. BMF-Schreiben vom 18.03.2022).

Das Steuerrecht folgt dem Arbeitsrecht:

Das BFH-Urteil zeigt auf, wie die steuerliche Behandlung der bAV eng mit den arbeitsrechtlichen Regelungen verbunden ist und diesen in Bezug auf die steuerlichen Konsequenzen der Vereinbarungen zur bAV folgt. Es offenbart auch, dass Steuerprüfer und Finanzrichter diesen Zusammenhang nicht immer angemessen im Rahmen ihrer Entscheidungen berücksichtigen, wenn sie bspw. davon ausgehen, bloß weil ein weiterer Versorgungsvertrag im selben Durchführungsweg abgeschlossen wird, handele es sich um eine einheitliche Versorgungszusage.

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