SLPM - HILFT WEITER! Opting-Out (Optionssysteme § 20 BetrAVG) - Teil 1 - Hintergrund (25.07.2022)

Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) wurde vom Gesetzgeber die Grundlage für sog. Optionssysteme zur Entgeltumwandlung geschaffen und in § 20 Abs. 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) gesetzlich verankert, damit die Sozialpartner Optionssysteme rechtsicher regeln können.

Das Gesetz versteht unter Optionssystemen tarifliche Regelungen zur automatischen Einbeziehung von Arbeitnehmern in eine Entgeltumwandlung (automatische Entgeltumwandlung bzw. Auto-Enrollment). Dabei haben die Arbeitnehmer ein Widerspruchsrecht (Opting-Out bzw. Opt-Out). Wenn der Arbeitnehmer keine Entgeltumwandlung wünscht, dann muss er in diesem System aktiv werden und ausdrücklich widersprechen bzw. herausoptieren. Nichtstun führt hier zur Teilnahme an der Entgeltumwandlung.

Demgegenüber bedingt die Geltendmachung des Rechtsanspruchs auf Entgeltumwandlung gemäß § 1a BetrAVG ein Aktivwerden des Arbeitnehmers bzw. ein Hineinoptieren, weshalb man hier auch vom Opting-In bzw. Opt-In spricht. Im Gegensatz zur „Widerspruchslösung“ führt beim Opting-In ein Nichtstun dazu, dass keine Teilnahme an der Entgeltumwandlung erfolgt. Die Begriffe Opting-In und Opting-Out bezeichnen demzufolge zwei verschiedene Systeme zur Regelung der Teilnahme von Arbeitnehmern an der Entgeltumwandlung. In beiden Systemen kann der Arbeitnehmer selbst entscheiden, ob er an der Entgeltumwandlung teilnimmt oder nicht, indem er in sie hinein- oder aus ihr herausoptiert. Ein Nichthandeln bzw. Aufschiebe-Verhalten (ein gängiges Verhaltensmuster, das in der Psychologie und in den Sozialwissenschaften mit dem Fachbegriff Prokrastination bezeichnet wird), wie es bei komplexen und/oder unangenehmen Entscheidungen häufig zu beobachten ist, führt in beiden Systemen allerdings entsprechend zu gegenteiligen Ergebnissen.

Da das Opting-In im Rahmen des Rechtsanspruchs auf Entgeltumwandlung bislang nicht zur gewünschten Verbreitung der arbeitnehmerfinanzierten bAV geführt hat, wird die automatische Entgeltumwandlung i.V.m. Opting-Out als Ansatzpunkt zur Stärkung der bAV diskutiert. Es kann davon ausgegangen werden, dass durch ein solches Optionssystem zumindest die Prokrastination die Arbeitnehmer nicht mehr von der bAV durch Entgeltumwandlung abhält und dadurch die Beteiligung an der arbeitnehmerfinanzierten bAV entsprechend zunimmt. In den USA bspw. konnte die Teilnahmequote an der bAV durch die Einführung von Opting-Out-Systemen teilweise auf über 85 % erheblich erhöht werden. Dabei ist die Teilnahmequote gerade bei den Personengruppen besonders stark angestiegen, welche die herkömmliche Entgeltumwandlung bisher nur unterdurchschnittlich oft genutzt haben, wie bspw. Geringverdiener, jüngere Beschäftigte und Frauen.

Mit der Hoffnung, dass die Arbeitnehmer im Rahmen des Opting-Out nur begrenzt von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen und somit über die Ermächtigung der Tarifparteien ganze Belegschaften in die Entgeltumwandlung aufgenommen werden können, wurden vom Gesetzgeber mit dem BRSG derartige Optionssysteme im neuen siebten Abschnitt des BetrAVG (Betriebliche Altersversorgung und Tarifvertrag) aufgenommen. Im Unterabschnitt 1 (Tariföffnung; Optionssysteme) in § 20 Abs. 2 BetrAVG werden auch die formalen Anforderungen an Optionssysteme genannt. Mit dieser Maßnahme, auch durch die damit anvisierte Reduzierung der Bürokratie sowie die Senkung der Beratungs- und Vertriebskosten zugunsten besserer Konditionen, bezweckt der Gesetzgeber bei der bAV einen höheren Durchdringungsgrad zu erreichen.

Für tarifgebundene Arbeitnehmer kann auf Basis eines Tarifvertrags eine automatische Entgeltumwandlung mit Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer eingerichtet werden. Die Regelung der Optionssysteme muss nicht direkt über den Tarifvertrag erfolgen. Der Tarifvertrag kann auch die Möglichkeit vorsehen, Einzelheiten in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zu regeln. An den bisherigen Vorschriften zur allgemeinen Tariföffnungsklausel und zum Erfordernis der Tariföffnung für die Entgeltumwandlung von tariflichen Entgeltansprüchen hat sich durch das BRSG inhaltlich nichts geändert (vgl. §§ 19 und 20 Abs. 1 BetrAVG). Arbeitgeber ohne Tarifbindung können sich an einen einschlägigen Tarifvertrag, also an einen Tarifvertrag, der gelten würde, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden wäre, anlehnen.

Der tarifgebundene Arbeitgeber kann durch einen Tarifvertrag und der nicht tarifgebundene Arbeitgeber kann durch Verweis in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung auf den einschlägigen Tarifvertrag zur Einführung eines Optionssystems verpflichtet (Obligatorium) oder ermächtigt (freiwilliges System) werden, auf Grundlage einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung die automatische Entgeltumwandlung mit Widerspruchsrecht in seinem Betrieb durchzuführen. Im Tarifvertrag bzw. in der entsprechenden Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung sind dann die Bedingungen und Details der automatischen Entgeltumwandlung verankert.

Durch die Verankerung in Tarifverträgen sind die Optionssysteme nicht allen Arbeitnehmern zugänglich. Bei bestimmten Arbeitnehmergruppen, bspw. Geringverdiener und Arbeitnehmer kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) sowie außertariflich Angestellten (AT-Angestellte) ohne einschlägigen Tarifvertrag oder Selbständige, werden die nun gesetzlich geregelten Optionssysteme auch vor dem Hintergrund einer abnehmenden Tarifgebundenheit der deutschen Arbeitnehmer kaum für eine weitere Verbreitung der arbeitnehmerfinanzierten bAV sorgen. Die automatische Entgeltumwandlung erscheint auch wenig geeignet, um individuelle Versorgungslücken zu schließen. Sie bietet pauschale Lösungen entweder unter Einbeziehung aller Arbeitnehmer oder nach diskriminierungsfreier, unter Berücksichtigung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgter Gruppenbildung, entsprechende gruppenspezifische Pauschallösungen.

Lesen Sie weiter im zweiten Teil unserer Reihe zu Optionssystemen.

SLPM unterstützt Sie in allen rechtlichen und versicherungsmathematischen Fragen rund um die betriebliche Altersversorgung. Sprechen Sie uns einfach an: SLPM-Beratung@swisslife.de




PDF - Download

Ausdrucken

Archiv