Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied mit Urteil vom 06.12.2022, IV R 21/19, über die Zulässigkeit eines Vorbehalts in einer Pensionszusage, der es dem Arbeitgeber erlaubte, die Höhe der Pensionsanwartschaft und -leistung zu ändern. Das Urteil bietet zudem wichtige Erkenntnisse zu den steuerlichen Anforderungen für die Anerkennung von Pensionsrückstellungen.
Der Fall:
Der Fall betraf eine arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersversorgung gemäß § 1a des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG). Diese wurde in Form einer Pensionszusage im Rahmen einer Betriebsvereinbarung (VO 2003) erteilt und erfolgte über den Durchführungsweg Direktzusage. Die Höhe der im Rahmen einer beitragsorientierten Leistungszusage zugesagten Leistungen basierte auf umgewandelten Entgeltbestandteilen bzw. Versorgungsbausteinen. Diese konnten mithilfe einer „Transformationstabelle“ und einer nicht näher erläuterten mathematischen Formel ermittelt werden. Der Arbeitgeber (Kläger) hatte das Recht, diese Tabelle und den zugrunde gelegten Zinssatz ohne Bezug zu einem bestimmten Tatbestand zu ändern, um die Pensionsanwartschaft an geänderte Umstände anzupassen. In der VO 2003 wurde auch festgelegt, dass das Prinzip der Wertgleichheit gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG gewahrt bleiben müsse. Diese Änderungsregelung wurde jedoch per Nachtrag zum 01.01.2011 ersatzlos gestrichen. Gleichzeitig verzichtete der Arbeitgeber auf sein einseitiges Änderungsrecht.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte das Finanzamt fest, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Nr. 2 und 3 Einkommensteuergesetz (EStG) für die Bildung von Pensionsrückstellungen in den Streitjahren 2004 bis 2007 nicht erfüllt seien. Die Änderungsregelung zur Transformationstabelle wurde als steuerschädlicher Vorbehalt gewertet, da sie dem Arbeitgeber ein einseitiges Änderungsrecht einräumte und die Höhe der Leistungen unklar ließ. Der Arbeitgeber argumentierte, der Vorbehalt sei gemäß § 315 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) rechtmäßig, da Änderungen nur nach billigem Ermessen, d. h. unter Berücksichtigung der Interessen des Versorgungsberechtigten und des Arbeitgebers erfolgen dürften. Zudem verwies er auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, die in Bezug auf § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG die „allgemeinen Rechtsgrundsätze“ berücksichtige. Er zitierte eine Literaturmeinung, wonach dem Arbeitsrecht widersprechende und damit unwirksame Vorbehalte grundsätzlich nicht steuerschädlich seien. Das Finanzamt wies jedoch darauf hin, dass es nicht für arbeitsrechtliche Fragen zuständig sei und erkannte die Pensionsrückstellungen nur teilweise an, basierend auf den durch frühere Entgeltumwandlungen erworbenen Anwartschaften.
Der Arbeitgeber klagte auf vollständige Anerkennung, hatte jedoch vor dem Finanzgericht Düsseldorf keinen Erfolg (Urteil vom 29.05.2019 – 15 K 736/16 F).
Die Entscheidung:
Der BFH stimmte in der Revision der Auffassung der Finanzverwaltung und des Finanzgerichts zu, dass der Vorbehalt nicht den Anforderungen des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG entsprach und als steuerschädlich eingestuft wurde. Aufgrund des Vorbehalts konnten zentrale Voraussetzungen für die Bildung von Pensionsrückstellungen in den Streitjahren nicht erfüllt werden, sodass die Erfüllung der Anforderungen des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG offenbleiben konnte.
Die Begründung:
Die Begründung des BFH beruht auf den Anforderungen des § 6a EStG, der klare und verbindliche Regelungen für Pensionszusagen fordert, um steuerliche Unsicherheiten zu vermeiden. Der BFH stellte fest, dass der Arbeitgeber sich das Recht vorbehalten hatte, die Pensionszusage nach eigenem Ermessen zu ändern, ohne die Interessen der Pensionsberechtigten zu berücksichtigen.
Der Hinweis des Klägers auf § 315 Abs. 1 BGB wurde als unzureichend angesehen, da der BFH keinen Zweifel an der Auslegung des Vorbehalts hatte. Der Verweis auf das Gebot der Wertgleichheit nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG änderte nichts an der Auslegung, da dieser Schutz für Arbeitnehmer nicht ausschließt, dass der Arbeitgeber die Pensionsanwartschaft mindern kann. Der BFH wies die Auffassung zurück, dass alle Widerrufsvorbehalte steuerunschädlich seien, da solche nur nach billigem Ermessen zulässig sind. Andernfalls wäre die Anforderung in § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG immer erfüllt und somit überflüssig. Ein Vorbehalt könnte dann frei formuliert werden: Ist er arbeitsrechtlich unzulässig, hätte er keine steuerrechtliche Wirkung; ist er zulässig, wäre auch die steuerliche Zulässigkeit gegeben. Der BFH hält dieses dynamische Verständnis der gesetzlichen Bezugnahme auf das Arbeitsrecht jedoch für nicht haltbar. Das Gericht betonte, dass das Steuerverfahren von arbeitsrechtlichen Unsicherheiten freigehalten werden sollte, um Praktikabilität und Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Der umstrittene Vorbehalt führte zu Unsicherheiten über die Eindeutigkeit der Pensionsverpflichtung, was die Rückstellungsbildung unzulässig machte. Letztlich wurde die Klage abgewiesen, da der Kläger nicht nachweisen konnte, dass die Pensionszusage den gesetzlichen Vorgaben entsprach.
Auswirkung auf die Praxis und Fazit:
Unternehmen müssen Pensionszusagen klar und eindeutig formulieren, um die steuerliche Anerkennung von Rückstellungen zu gewährleisten. Das Urteil zeigt, dass Vorbehalte grundsätzlich vermieden werden sollten, da ansonsten die gesamte Zusage als steuerschädlich eingestuft werden könnte.
Die Praxis übernimmt häufig Standardvorbehalte aus den Einkommensteuerrichtlinien (R 6a Abs. 4 EStR), was grundsätzlich ratsam ist. Abweichende Vorbehalte sind möglich, erfordern jedoch eine sorgfältige Prüfung. Vorbehalte, die eine Minderung oder den Entzug der Pensionsanwartschaft oder -leistung ermöglichen, sind steuerrechtlich nur sehr eingeschränkt zulässig.
Die Entscheidung zeigt, dass konkrete Vorgaben zur Beschränkung eines Vorbehalts, unabhängig von ihrer Klarheit, nicht ausreichen. Entscheidend ist, arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zu identifizieren, die eine Minderung oder den Entzug der Pensionsanwartschaft oder -leistung nur ausnahmsweise zulässt. Kann ein Vorbehalt nicht eindeutig einem solchen anerkannten, eng begrenzten Tatbestand zugeordnet werden, ist er wahrscheinlich steuerschädlich. Zudem sollte die Abwägung der Interessen von Arbeitgeber und Versorgungsberechtigtem klar geregelt sein.
Zusammenfassend zeigt das Urteil, dass eine sorgfältige Gestaltung von Pensionszusagen entscheidend ist, um steuerliche Nachteile zu vermeiden und rechtliche Klarheit zu gewährleisten.
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