Betriebsrentenanpassung im Konzern – (kein) Berechnungsdurchgriff bei (isoliertem) Gewinnabführungsvertrag (17.09.2024)

Um den Werterhalt laufender Leistungen aus betrieblicher Altersversorgung (bAV) zu si-chern, hat der Arbeitgeber grds. alle 3 Jahre im Rahmen einer Anpassungsprüfung nach billigem Ermessen über Rentenerhöhungen zu entscheiden und dabei die Belange der Versorgungsempfänger sowie seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen, § 16 Abs. 1 BetrAVG. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte im Urteil 3 AZR 505/21 vom 15.11.2022 zu klären, ob ein Gewinnabführungsvertrag bei schlechter Wirtschaftslage  des Versorgungsschuldners einen „Berechnungsdurchgriff“ auf die (gute) wirtschaftliche Lage der herrschenden Firma rechtfertigt. Es bestätigte dabei seine Rechtsprechung zu 
§ 16 Abs. 1 BetrAVG und schrieb sie teils fort.

Sachverhalt und Entscheidung(en)

Der Kläger bezog seit August 2016 eine Betriebsrente aus einer Direktzusage von der Beklagten. Diese hatte mit der ebenfalls konzernangehörigen B als herrschender Gesellschaft einen Gewinnabführungsvertrag geschlossen, wonach B von der Beklagten erwirtschaftete                 Jahresüberschüsse/-fehlbeträge übernahm. Die Beklagte wies 2016-2019 ein positives Eigenkapital auf; sie erzielte 2016 einen Gewinn, 2017, 2018 und 2019 Verluste und eine negative Eigenkapitalrendite.

Das Geschäftsergebnis 2019 enthielt Pensionsrückstellungen f. Betriebsrentenanpassung i.H.v. 903.000, sowie Abfindungen i.H.v. 840.000 EUR. Im Lagebericht 2018 war der Ausblick positiv.  

Die Beklagte schrieb dem Kläger, dass sie dessen Betriebsrente aus wirtschaftlichen Gründen 2019 nicht anpasse; dieser widersprach fristgemäß. Die Klage auf eine Anpassung der Betriebsrente war in allen drei Instanzen erfolglos.

Die Begründung des BAG

Die wirtschaftliche Lage der Beklagten stehe der Betriebsrentenanpassung entgegen. Die Voraussetzungen für einen Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage der B lägen nicht vor.

Lässt die schlechte wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners die Rentenanpassung nicht zu, ist er nicht dazu verpflichtet. Nach st. Rspr. ist dies dann der Fall, wenn seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet wird, dh. keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet wird oder er nicht mehr über genügend Eigenkapital verfügt. Bei Gewinnabführungsverträgen komme es nicht zum Eigenkapitalaufbau (Gewinnabschöpfung); relevant sei dann nur die (hier nicht ausreichende) Eigenkapitalverzinsung.

Betriebswirtschaftliche Korrekturen seien hier nicht vorzunehmen, insb. seien die Pensionsrückstellungen nicht herauszurechnen, da sie nur Innenfinanzierungsinstrument (Fremdkapital) mit Steuerstundungseffekt seien.  

Für die Anpassungsprüfung sei die Wirtschaftslage des Versorgungsschuldners grds. auch maßgeblich, wenn dieser in einen Konzern eingebunden ist. Ausnahme dazu sei ein „Berechnungsdurchgriff“, der greife, wenn sich die mit einem Beherrschungsvertrag verbundene Gefahr für das durch § 16 Abs. 1 geschützte Interesse der Betriebsrentner am Werterhalt ihrer Rente durch negative Einflussnahme verwirkliche. Im Gegensatz zum Beherrschungsvertrag, bei dem das beherrschende Unternehmen qua Weisungsrechtsausübung die wirtschaftliche Entwicklung des beherrschten Unternehmens so weit bestimmen könne, dass dieses die wirtschaftliche Selbständigkeit verliere, habe ein Unternehmen, das nur den Gewinn eines anderen erhält, diese Rechtsmacht nicht; durch einen bloßen Gewinnabführungsvertrag  könne das herrschende Unternehmen die Gewinnhöhe des  Versorgungsschuldners nicht beeinflussen. Für die Anpassungsprüfung sei auf dessen wirtschaftliche Lage vor Gewinnabschöpfung abzustellen, so dass der Gewinnabführungsvertrag diese nicht beeinflusse.

 

FAZIT:

  • die BAG-Rechtsprechung zum „Berechnungsdurchgriff“ i.R.d. Anpassungsprüfung bei Vorliegen eines Gewinnabführungs- bzw. Beherrschungsvertrags hat sich mehrfach gewandelt. Seit 3 AZR 793/13 v. 10.3.2015 ist die bei einem Beherrschungsvertrag pauschale Vermutung der wirtschaftlichen Benachteiligung des beherrschten Unternehmens mit der Folge, dass dieses zur Betriebsrentenanpassung außerstande war, widerlegbar.
  • die bislang offene Frage, ob die o.g. Vermutung auch bei einem bloßen ‚isolierten‘ Gewinnabführungsvertrag gilt (noch offengelassen in 3 AZR 102/14 v. 21.04.15, Rn. 56), und damit auch hier mglw. ein „Berechnungsdurchgriff“ auf die Wirtschaftslage des herrschenden Unternehmens greift, hat das BAG nun klar verneint. Dies erscheint konsequent. Wenn schon bei einem Beherrschungsvertrag der Berechnungsdurchgriff nur noch bei kausal negativer Einflussnahme greift, dann kann ein Gewinnabführungsvertrag diesen erst recht nicht auslösen.
  • zudem bestätigte das BAG seine bisherige Rechtsprechung zu § 16 BetrAVG:   
    --> Bündelung aller Prüftermine in einer Firma zu einem Jahrestermin ist zulässig; 
    --> Anpassungsablehnung ist gerechtfertigt, wenn Firma wg. wirtschaftlicher Lage dadurch übermäßig belastet und ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde (keine angemessene Eigenkapitalverzinsung oder nicht genügend Eigenkapital). Dabei kommt es auf die reale Lage an, nicht auf eine fiktive, die bei Treffen anderer Geschäftsentscheidungen vorläge.   
    --> angemessene Eigenkapitalverzinsung ermittelt sich aus Basiszins (Umlaufrendite öffentl. Anleihen) + 2% Risikozuschlag. Da hier die Eigenkapitalverzinsung in jedem Fall zu niedrig war, konnte das BAG ausdrücklich offen lassen, ob der Basiswert negativ sein kann, oder als Untergrenze  0,00 % gilt.                                                                   --> die wirtschaftliche Lage des         Versorgungsschuldners ist durch eine Prognose zu ermitteln; maßgeblich ist, ob sich im Referenzzeitraum eine positive Entwicklung abzeichnet, die eine für die Betriebsrentenpassung ausreichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in den 3 Jahren nach dem Anpassungsstichtag erwarten lässt.
    --> ein Arbeitgeber ist nicht zur Anpassung der Betriebsrenten verpflichtet, weil er Pensionsrückstellungen gebildet hat; diese sind nicht herauszurechnen;  
    --> ein Lagebericht nach § 289 HGB ist nicht geeignet, die auf den wirtschaftlichen Daten des Jahresabschlusses beruhende negative Prognose zu entkräften.

 

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