Doppelbesteuerungsverbot und Altersvorsorgeaufwendungen (25.01.2023)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte sich im Urteil vom 06.04.2022, X R 27/20, mit der Frage zu befassen, ob bei vorschriftsgemäßer Besteuerung von Altersvorsorgebezügen aus einem berufsständischen Versorgungswerk als sonstige Einkünfte ein unzulässiger Fall von Doppelbesteuerung vorliegt, wenn der Steuerpflichtige vorher versäumt hat, die entsprechenden Beiträge steuerlich als Altersvorsorgeaufwendungen geltend zu machen, obwohl diese einkommensteuerrechtlich als Sonderausgaben (anteilig) abziehbar gewesen wären.

Der Kläger bezog erstmals 2015 vom Versorgungswerk der Rechtsanwälte eine Altersrente, welche durch das zuständige Finanzamt nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG versteuert wurde. Nach Vorlage der Bescheinigung des Versorgungswerks wurde der Rentenanteil, der infolge der beantragten Anwendung der Öffnungsklausel lediglich der Besteuerung mit dem Ertragsanteil unterliegt, vom Finanzamt zutreffend bestimmt und nur der verbleibende Rententeilbetrag einer Besteuerung mit dem im Jahr des Rentenbeginns geltenden Besteuerungsanteil in Höhe von 70 % unterworfen.  Nach erfolglosem Widerspruch klagte der Betroffene beim FG Köln gegen den Einkommensteuerbescheid in Form des Widerspruchsbescheids. Er machte geltend, wegen einer im Jahr 2005 unterbliebenen steuerlichen Geltendmachung der Beiträge zum Versorgungswerk müsse nun per „nachgelagerter Steuerfreistellung“ die Altersrente im Streitjahr niedriger angesetzt werden, andernfalls liege eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppelbesteuerung vor. Das FG Köln hatte die Klage als unbegründet abgewiesen.

Die zulässige Revision vor dem BFH war erfolglos, weil unbegründet.

Gemäß dem für Veranlagungsjahre ab 01.01.2005 wirksamen Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) werden entsprechende Altersvorsorgebeiträge steuerlich allein über einen Sonderausgabenabzug während der Aufbauphase berücksichtigt. Der Gesetzgeber hat bei Einführung der nachgelagerten Besteuerung durch das AltEinkG im Rahmen der typisierenden Ausgestaltung der Übergangsregelung zur steuerlichen Behandlung von Altersvorsorge in der ‚ersten Säule‘ verfassungskonform entschieden, die steuerliche Berücksichtigung entsprechender Vorsorgeaufwendungen nur in der Aufbauphase vorzusehen.

Eine „nachgelagerte Steuerfreistellung“ (in der Auszahlungsphase) von Renten aufgrund in der Ansparphase an das Versorgungswerk geleisteter Beitragszahlungen, deren steuerliche Geltendmachung als Sonderausgaben unterblieben ist, sieht das EStG nicht vor.

Ebensowenig liegt ein Fall doppelter Besteuerung vor, dessen Auflösung durch die Gewährung der begehrten „nachgelagerten Steuerfreistellung“ verfassungsrechtlich geboten wäre. Eine solche könnte nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH X R 33/19 vom 19.05.2021) nur dann vorliegen, wenn die Summe der voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse niedriger wäre als die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen.

Dieser Summenvergleich aber verbietet einen – wie vom Kläger vorgebracht – isolierten Vergleich unter Betrachtung einzelner Streitjahre zur Ermittlung einer verfassungsrechtlich unzulässigen Doppelbesteuerung. Zudem beruht hier die unterbliebene steuerliche Geltendmachung von Altersvorsorgebeiträgen nicht auf einem Fehler des Gesetzgebers, sondern auf der Nichtnutzung durch den Kläger; in einem solchen Fall können nach Ansicht des BFH die Beiträge nicht in die o.g. Vergleichsrechnung mit einbezogen werden. Gleiches gilt, wenn Vorsorgeaufwendungen im Veranlagungszeitraum in fehlerhafter Weise unberücksichtigt bleiben und in solchen Fällen ein fristgerechter Einspruch ausbleibt, bzw. wegen eingetretener Festsetzungsverjährung eine Korrektur auch nicht mehr aufgrund von Änderungsvorschriften erfolgen kann. Nur soweit eine steuerliche Geltendmachung von Beiträgen aus rechtlichen Gründen nicht möglich war, können die betreffenden Beiträge als aus versteuertem Einkommen erbracht angesehen werden.

Im Streitfall kam hinzu, dass nach dem zutreffenden Vorbringen des Finanzamts bei einer abgerundeten durchschnittlichen Lebenserwartung des Klägers von 21 Jahren ab Rentenbeginn allein dessen potentielle Altersrenten aus dem Versorgungswerk die entsprechenden Einzahlungen weit überstiegen hätten. 

Neben dem BFH-Urteil vom 19.05.2021 (X R 33/19) wurde auch im BFH-Urteil X R 20/19 von selben Tag festgestellt, dass mittels der durch das AltEinkG von 2004 geschaffenen Übergangsregelung zur nachgelagerten Besteuerung eine Doppelbesteuerung von Altersrenten zumindest nicht auszuschließen ist. Darauf reagiert das Jahressteuergesetz 2022 vom 16.12.2022 (BGBl I, 2294), indem es die ursprünglich erst ab dem Jahr 2025 vollständige Absetzbarkeit der Beiträge der „ersten Schicht“ der Altersversorgung als Sonderausgaben auf 2023 vorzieht. Die steuerliche Absetzbarkeit der Vorsorgeaufwendungen erhöht sich damit im Vergleich zur bisherigen Regelung für 2023 um 4%-Punkte und für 2024 um 2%-Punkte.

Fazit aus der Entscheidung ist, dass eine „selbst verschuldete“ Doppelbesteuerung durch Versäumnisse bei der steuerlichen Geltendmachung von Vorsorgeaufwendungen nicht mehr im Rentenbezug korrigiert werden kann. Insoweit liegt keine verfassungsrechtlich verbotene Doppelbesteuerung vor.

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