Zulässige und unzulässige Differenzierung in der bAV - Teil 1 (29.11.2022)

In bestimmten Grenzen ist es rechtlich zulässig einzelne Arbeitnehmer(-gruppen) vom Geltungsbereich einer bAV-Zusage auszuschließen bzw. eine unterschiedliche inhaltliche Ausgestaltung vorzunehmen. Bei der Einführung oder Überprüfung einer bAV-Zusage ist daher zu prüfen, ob die rechtlichen Rahmenbedingungen insoweit beachtet werden.

Ein Arbeitgeber kann aus vielfältigen Gründen das Bedürfnis haben, bestimmte Personengruppen von der Aufnahme in eine betriebliche Versorgungsregelung (bAV-Zusage) auszuschließen bzw. eine Unterscheidung bei der Art und/oder Höhe der bAV-Zusage vorzunehmen. Beispielsweise der Wunsch nach einfacher Verwaltung, der Erkenntnis eines unterschiedlichen Versorgungsbedarf bestimmter Arbeitnehmergruppen oder schlicht im Anliegen des Arbeitgebers nach Begrenzung seines bAV-Aufwandes. Der Arbeitgeber hat jeweils zu prüfen, ob und inwieweit eine gewollte Differenzierung rechtlich zulässig ist. Zum Teil kann es bei dieser Beurteilung darauf ankommen, ob die bAV-Zusage vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer finanziert wird.

Rechtsgrundlage und Regelungsinhalte von bAV-Zusagen

Eine bAV-Zusage entsteht nicht von selbst; es bedarf einer Rechtsgrundlage, beispielsweise einer Betriebsvereinbarung, Gesamtzusage, einzelvertraglichen Regelung oder eines Tarifvertrages. Auch durch sogenannte betriebliche Übung kann ein Versorgungsanspruch begründet werden. In der Rechtsgrundlage sind die Regelungen im Detail festzulegen, um neben minimierten Haftungsrisiken für den Arbeitgeber auch gegenüber den Arbeitnehmern klar zu kommunizieren, welche Ansprüche (u.a. Leistungsarten und deren Höhe) gewährt werden. Existiert ein Betriebsrat im Unternehmen ist dieser zwingend bei der Einrichtung/Änderung der Versorgungsregelung zu beteiligen.

Bei Neueinführung einer bAV-Zusage ist festzulegen, welcher Personenkreis erfasst wird („Ob“) und wie der konkrete Leistungsinhalt für einzelne Personengruppen bestimmt ist („Wie“), und zwar unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Gleiches gilt, wenn bAV-Zusagen geändert werden sollen. Hierbei ist insbesondere die Behandlung sogenannter rentennaher Mitarbeiter zu beachten (deren Arbeitsverhältnis zeitnah zur Änderung endet und die nur eingeschränkt Gegenmaßnahmen einleiten können).

Bedeutung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes

Gemäß Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gilt der „Regel-Ausnahme-Grundsatz“, der das Gebot der Gleichbehandlung aller vom konkreten Lebenssachverhalt erfassten Personen regelt. Eine Ungleichbehandlung einzelner Personen/Personengruppen ist nur bei vorliegenden sachlichen Gründen zulässig („Gleiches darf nicht ungleich, Ungleiches darf nicht gleichbehandelt werden“). Dieser Grundsatz wurde durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch weiter konkretisiert. Eine Ungleichbehandlung wird generell für die AGG-relevanten Kriterien (u.a. Geschlecht, Alter, Behinderung) als unzulässig erachtet bzw. ist nur ausnahmsweise innerhalb gesetzlich vorgegebener Gründe zulässig. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz ist auch als Rechtsgrundlage für eine bAV-Zusage klarstellend in § 1b Abs. 1 S. 4 BetrAVG dokumentiert.

Der Arbeitgeber hat daher zu prüfen, ob eine gewollte Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer(-gruppen), soweit sie sich in gleicher/vergleichbarer Lage befinden, sachlichen Kriterien entspricht. Die (billigenswerten) Gründe einer Ungleichbehandlung müssen auf vernünftigen, nachvollziehbaren Erwägungen beruhen und dürfen nicht gegen verfassungsrechtliche oder sonstige übergeordnete Wertevorstellungen verstoßen. Willkürlich aufgestellte Regelungen sind generell unwirksam. Kommt es zum gerichtlichen Streit, liegt die Darlegungslast beim Arbeitgeber, wie er den Begünstigtenkreis abgegrenzt hat und warum der „ungleich behandelte“ Arbeitnehmer nicht zu dem Kreis der Begünstigten gehört.

Zulässige Differenzierungen nach bisheriger BAG-Rechtsprechung

Sachliche Gründe (die eine Differenzierung rechtfertigen), sind nach dem Zweck der Leistung zu beurteilen; zulässige Differenzierungskriterien können insbesondere aus betrieblichen und/oder sozialen Gründen resultieren. Im Einzelfall kann eine Gruppenbildung zwischen einzelnen Betrieben sachlich gerechtfertigt sein, auch wenn eine Gleichbehandlung grundsätzlich unternehmensweit zu berücksichtigen ist, z.B. bei räumlicher Entfernung (In- und Ausland) oder einer gravierend anderen wirtschaftlichen Situation der Betriebe. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist immer zu berücksichtigen. 

Folgende Differenzierungen können zulässig sein bei der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung einer bAV-Zusage (festzulegende Parameter):

  • Nach Status des Arbeitnehmers als leitender Angestellter, da dieser eine besondere Bedeutung für das Unternehmen hat und/oder bei unterschiedlicher Qualifikation (Arbeitsleistung, Berufserfahrung, o.ä.);
  • Nach Tätigkeit als Außendienst- oder Innendienstmitarbeiter (Annahme, dass Außendienstmitarbeiter als Umsatzträger eine engere Unternehmensbindung haben) oder bei unterschiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz (z.B. Gewährung einer Invalidenleistung nur für Arbeitnehmer, die gefährliche Arbeiten verrichten);
  • Nach dem Umfang der Arbeitszeit (Teilzeit- bzw. Vollzeitbeschäftigung), soweit der Grundsatz der Proportionalität beachtet wird;
  • Nach sozialen Gesichtspunkten, z.B. Versorgungsbedarf in Anlehnung an den unterschiedlichen Versorgungsbedarf, oder auch höhere Versorgungsansprüche als Belohnung für lange Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers;
  • Nach familienrechtlichem Status, z.B. Eheschließung nach Eintritt des Versorgungsfall bzw. Ende des Arbeitsverhältnisses oder (zu) großer Altersabstand zwischen den Partnern, da hier das Aufwandsrisiko für den Arbeitgeber zu hoch ist;
  • Herausnahme rentennaher Mitarbeiter bei Verschlechterung der bAV-Zusage, z.B. bei Reduzierung zukünftig erdienbarer Anwartschaften („Future Service“), denn diese können aufgrund des nahem Rentenbeginns nur eingeschränkt auf eine reduzierte Alterssicherung reagieren;
  • Trennung der bisherigen „Stammbelegschaft“ gegenüber nach § 613a BGB übergegangenen Arbeitsverhältnissen (Eingliederung von Arbeitnehmer aus erworbenen Betrieben/Betriebsteilen ins Unternehmen des Arbeitgebers). Unterschiedliche Arbeitsbedingungen der übernommenen Arbeitsverhältnisse gelten als zulässiger Differenzierungsgrund. Soll nach vollzogener Transaktion eine Vereinheitlichung der bAV-Zusagen erfolgen, hat der Arbeitgeber die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gemäß der vom BAG aufgestellten sogenannten Drei-Stufen-Theorie zu beachten. Allein der Wunsch des Arbeitgebers nach Vereinheitlichung im Unternehmen reicht nicht aus zur Anerkennung als sachlich-proportionaler Grund, der vorliegen muss, wenn in den Future Service eingegriffen werden soll, vgl. BAG-Urteil vom 22.10.2019 (3 AZR 429/18). Zusätzlich wäre beispielsweise nachzuweisen, dass bei unveränderter Fortführung der bestehenden bAV-Zusagen entweder eine Fehlentwicklung der bAV vorliegt oder eine wirtschaftlich ungünstige Entwicklung des Unternehmens eintreten würde – oder dass der Arbeitgeber dann nicht bisher Unversorgte mit in die bAV-Zusage aufnehmen kann.

Eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters einzelner Arbeitnehmer(-gruppen), ist dann zulässig wenn der Arbeitgeber ein billigenswertes, legitimes Ziel verfolgt (z.B. Aufwands- und/oder Risikobeschränkung) und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind, vgl. § 10 AGG. So sind definierte Mindest- oder Höchstaltersgrenzen sowie Mindestdienstzeiten als Voraussetzung für einen Anspruch bzw. den Bezug einer bAV-Leistung zulässig (unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit).

Lesen Sie weiter im zweiten Teil unserer Info zu Differenzierungen in der bAV!

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