BAG-Urteil zur Frage der Gesamtschuld zwischen externem Versorgungsträger und Arbeitgeber (07.03.2024)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 13.07.2021, 3 AZR 298/20, den Leitsatz ausgegeben, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG angeordnete Einstandspflicht des Arbeitgebers regelmäßig nicht zu einer Gesamtschuld iSv. § 421 BGB zwischen dem eingeschalteten externen Versorgungsträger und dem Arbeitgeber führt, der die bAV zugesagt hat.  

Im zu entscheidenden Fall wurde dem Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin eine bAV-Zusage erteilt, die eine Dienstunfähigkeitsversorgung beinhaltete. Diese sollte sich gemäß geltenden Satzungen und Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der eingeschalteten externen Versorgungsträger (hier: zwei Pensionskassen) ergeben. Die Pflicht zur Zahlung der Dienstunfähigkeitsrente setzte voraus, dass der Arbeitnehmer „ab Ende des Arbeitsverhältnisses infolge Dienstunfähigkeit nicht mehr im Stande ist, die Beschäftigung beim Arbeitgeber auszuüben“. Als Nachweis galt der Rentenbescheid der gesetzlichen Rentenversicherung über das Vorliegen voller Erwerbsminderung.

Der Kläger war seit dem 11.09.2017 arbeitsunfähig erkrankt. Sein Antrag vom 12.10.2017 wurde mit Rentenbescheid vom 15.01.2019 auf gesetzliche Erwerbsminderungsrente positiv beschieden, und zwar rückwirkend für die Zeit ab 01.04.2018. Da die Pensionskassenleistungen erst ab Ende des Arbeitsverhältnisses gewährt werden konnten, wurde das Arbeitsverhältnis per Aufhebungsvertrag zum 28.02.2019 beendet. Die betriebliche Dienstunfähigkeitsrente wurde rückwirkend ab 01.03.2019 von beiden Pensionskassen (Beklagte zu 2. bzw. Beklagte zu 3.) gewährt.  

Der (ehemalige) Arbeitnehmer begehrte mit seiner Klage die rückwirkende Zahlung der Pensionskassenleistungen ab Bezug der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente (01.04.2018) bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses (28.02.2019). Seiner Ansicht nach benachteiligte ihn die Ausscheidevoraussetzung unangemessen und daher sei diese Regelung unwirksam. Die Einbeziehung der Regelungswerke (Satzungen und AVBs) wurde dabei nicht in Zweifel gezogen. Die ehemalige Arbeitgeberin (Beklagte zu 1), die die Pensionskassen zur Durchführung der Versorgungszusage genutzt hatte, sollte im Rahmen der Gesamtschuld haften.  

Die Gesamtschuld gemäß § 421 BGB stellt eine Form der Schuldnermehrheit dar. Jeder Schuldner ist zur vollständigen Leistung verpflichtet, der Gläubiger kann die geschuldete Leistung aber insgesamt zur einmal einfordern und ist frei darin, welchen Schuldner er in Anspruch nimmt. Der Gläubiger kann die Leistung nach seinem Belieben auch von mehreren Schuldnern nur zu einem Teil fordern.

Das Landesarbeitsgericht hatte festgestellt, dass die AGB einer der beiden Pensionskasse einer ergänzenden Vertragsauslegung bedurfte. Dennoch hatte die Klage und die Berufung keinen Erfolg, da die Pensionskasse zeitnah (nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses) den Antrag des Arbeitnehmers auf Zahlung der Dienstunfähigkeitsleistung beschieden hatten. Das BAG urteilte, dass die Klage zwar zulässig, aber gegen alle Beklagten unbegründet war.

 

 

 

Die gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG vorgesehene Einstandspflicht (Subsidiäranspruch) besagt, dass der Arbeitgeber für die Erfüllung des Leistungsversprechens einsteht. Dies stellt aber keine Gesamtschuld zwischen dem die bAV-Zusage erteilenden Arbeitgeber und einem eingeschalteten Versorgungsträger dar. Eine Gesamtschuld ergab sich weder aus vertraglicher Abrede der drei Beklagten noch aus allgemeinen Grundsätzen. Sie fehlt zudem, wenn der Leistungszweck der einen gegenüber der anderen Verpflichtung vorläufig und/oder subsidiär und damit nachrangig ist (vgl. BGH 28.11.2006 – VI ZR 136/05 – Rn. 17). Verspricht der Arbeitgeber ausdrücklich eine Pensionskassenversorgung, drückt er damit aus, dass der Versorgungsempfänger seine Leistungen unmittelbar vom Versorgungsträger erhält. Der Arbeitgeber muss aber die Lücke schließen, wenn die mit dem Versorgungsträger getroffene Regelung hinter der Verpflichtung zurückbleibt oder wenn dieser die bAV-Zusage aus anderen Gründen nicht erfüllt (vgl. BAG 12.06.2007 – 3 AZR 186/06 – Rn. 20).  

Auch wenn der Arbeitgeber die bAV über einen externen Versorgungsträger durchführt, kann er sich nicht seiner Versorgungsverpflichtungen entledigen. Er hat gleichwertige Leistungen zu erbringen, u.U. finanziert aus eigenem Vermögen, um die bAV-Zusage zu erfüllen.

Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber die bAV-Versorgung in Höhe und unter den Bedingungen der beiden Pensionskassen versprochen. Auf deren Leistung hatte der Versorgungsberechtigte einen Rechtsanspruch. Darüber hinaus kann kein weitergehender Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber begründet werden (weder höherer Leistungsanspruch noch früherer Zahlungsbeginn).

Wenn allerdings die vertraglichen Regelungen der Pensionskassen wegen Verstoß gegen Diskriminierungsverbote unwirksam wären, kann der Arbeitgeber im Rahmen des Verschaffungsanspruchs unmittelbar in Anspruch genommen werden, damit das Leistungsversprechen (vollständig) eingelöst wird.

 

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